Manifesto

Letzten Montag wurde im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin (ilb) das Comic-Manifest vorgestellt, das dann tatsächlich einige kontroverse Reaktionen hervorgerufen hat. Unser Mann in Berlin Bela Sobottke war zu Beginn der Gesprächsrunden, die zu diesem Manifest geführt haben, zugegen. Daher begeben wir uns in die Niederungen der Comic-Politik und bringen Belas Erlebnisbericht:

„Am 20. Februar 2013 ging ich auf Einladung des Internationalen Literaturfestivals Berlin (ilb) zum ersten Treffen zum Thema Comic. 11 Personen nahmen teil, ich hatte meinen freundlichen Zeichner-Kollegen und U-Comix Verbündeten Bert Henning im Schlepptau, mit ATAK und Ulli Lust waren zwei weitere Comiczeichner dabei, Reprodukt war vertreten und natürlich das ilb selbst. Kurz gesagt ging es darum: Ulrich Schreiber und Thomas Böhm vom ilb hatten EU-Fördertöpfe zur Förderung der Kreativwirtschaft aufgetan und brauchten nun den Input von Mitgliedern der Comicszene, um gemeinsam Ideen und Projekte zur „Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Berliner Comickunstschaffenden“ zu entwickeln.

Bei allen Beteiligten – bis auf Bert und mich – herrschte eine stillschweigende Übereinkunft, welche Comics „gut“, bzw. förderungswürdig sind, und welche nicht. Es gab hier allgemein einen akademisch-künstlerischen Zugang zu Comics, während mein eigener Zugang eher aus dem Bauch heraus kommt und handwerklich geprägt ist (vielleicht, weil ich nie eine altehrwürdige Kunsthochschule von innen gesehen habe: die wollten mich damals nicht haben). Auch meine kritische Meinung zu Kulturförderung wurde freundlich zur Kenntnis genommen, aber nicht aufgegriffen. Als Filmfan ist die für mich abschreckende Referenz die deutsche Filmförderung, die zu unserem monothematischen und in weiten Teilen kreuzlangweiligen bundesrepublikanischen Gremienkino geführt hat. Wer entscheidet, welche Comics förderungswürdig sind? Auf diese Einwände wurde nicht weiter eingegangen. Ein weiteres wichtiges Thema des Treffens war die Comic-Lehre an Hochschulen, sowie die Verwendung von Comics als Lehrmaterial. Eine sinnvolle Sache. Da ich mich jedoch nicht als Lehrer berufen fühle, und auch nicht auf den ewig nörgelnden Außenseiter bei der Förderungsfrage festgelegt werden wollte, also nichts substantielles zum Gelingen des Projektes beitragen konnte, entschloss ich mich, der Runde in Zukunft fern zu bleiben. Bert ging es ähnlich. Von da an habe ich nur noch als passives Mitglied die Fortschritte des Arbeitskreises verfolgt.

Das Comic-Manifest als erster Schritt ist nun fertig (es kann im Wortlaut u.a. beim Tagesspiegel nachgelesen werden) und ist trotz meiner Bedenken eine wohlformulierte Schrift geworden, in deren Formulierung erst einmal auf eine Klassifizierung von Comics verzichtet wird. Ich werde nicht von einer Comic-Professur profitieren, und meine Comics werden voraussichtlich niemals Fördergelder erhalten, aber es geht ja auch nicht nur um mich: sondern um den Comic als ganzes und nachfolgende Generationen von Zeichnerinnen und Zeichnern. Deswegen gehöre ich zu den Erstunterzeichnern und bin gespannt, wie es nach der Absichtsbekundung weitergeht.“

5 Gedanken zu „Manifesto

  1. Da hast du deutlich eloquenter+höflicher als ich meine eigenen Gedanken zu dieser Sache formuliert, ich stimme in jedem Punkt zu.

  2. Pingback: roterKater: Das Comic-Manifest - eine vertane Chance

  3. Tja, Jungs – wenn man sich gleich nach dem ersten Mal ausklinkt beim Organisieren von Fördergeldern braucht man sich auch nicht wundern, wenn das eigene Töpfchen leer bleibt.
    Ohne jetzt groß aus einem eigenen Erfahrungsschatz zehren zu können ist Fördergelder requirieren ein Job wie viele andere: das Geld ist da, will vergeben werden und es gilt, gewisse Formalien einzuhalten, um daran zukommen. Die erfolgreichsten Empfänger solcher Zuwendungen sind weniger kreative Überflieger als resistente Ausschuß- und Sitzungshocker, die dann halt ‚zur Stelle sind‘. Da geht es nicht um gute oder schlechte Comics, um geilen Trash oder schnarchige Graphic Novels, sondern um den Durchhaltewillen, den Verwaltungsterror mitzumachen und auszuhalten.

    Ich dachte, ihr Berliner habt da schon seit 70 Jahren Erfahrung … 😉

    • Da muss ich widersprechen, werter Kollege. Schon mal was von der „Minderqualitätsklausel“ bei den Förderbedingungen der FFA gehört? Die besagt, dass Filme, „die von geringer Qualität sind oder die sexuelle Vorgänge oder Brutalitäten in aufdringlich vergröbernder spekulativer Form darstellen“ nicht förderungswürdig sind. Dies öffnet geschmäcklerischen Urteilen des Gremiums Tür und Tor. Deswegen gibt es in Deutschland keine geförderten Horrorfilme. Und damit hat die FFA beispielsweise Roland Klick klein gekriegt, indem sie seinem letzten Film schlichtweg die Qualität abgesprochen hat. Es stimmt also nicht, dass es nicht auf die Inhalte, sondern nur auf den Durchhaltewillen ankäme bei Kulturförderung!

  4. Nein, von der “Minderqualitätsklausel” hatte ich noch nicht gehört oder gelesen. Die war jetzt aber auch nicht wirklich Thema im Blogbeitrag.

    Obwohl viele der Comics im Umfeld des Gringo- Verlags oder auch bei Weissblech Comics (um die beiden großen ‚Trasher in Deutschland‘ mal zu benennen) mit der Darstellung von Gewalt oder sexuellen Handlungen arbeiten schliesst das meiner Ansicht nach nicht alle Arbeiten, die dort publiziert werden, oder die Kreativen dahinter aus. Warum also sollten die dann nicht punktuell gefördert werden (können)? WB oder Gringo kriegen natürlich von keiner Stiftung EUR 100.000,- in die Hand gedrückt mit der Aufforderung „Macht mal geile Comics!“ – so wünschenswert und schlußendlich sinnvoll – nach meiner Meinung – das vielleicht auch wäre …

    Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, daß die treibenden Kräfte hinter dem Einfordern von Fördergeldern eher in der Fraktion der sitzfleischigen GraphicNovelisten und KunstcomicsSchaffenden zu finden sind. Ist halt ne Mentalitätsfrage …

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